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Gesundheit
Gesundheit (von althochdeutsch gisunt „wohlbehalten, lebendig, heil; Gesundheit“, von der germanischen Wurzel sunto „rege, rüstig, gesund“ und urverwandt mit von sṷento ableitbarem „geschwind“[1][2]) wird, auf den einzelnen Menschen bezogen, meist als Zustand des körperlichen und/oder geistigen subjektiven Wohlbefindens aufgefasst, wobei jedoch bereits bestehende, aber noch unbemerkte Erkrankungen (wie Krebsgeschwülste) nicht miterfasst sind. Auf eine Population bezogen steht Gesundheit für ein möglichst geringes Ausmaß an Krankheitslast. Das Wiedererlangen von Gesundheit wird als Gesunden oder Genesen bezeichnet.
Definitionen
Gesundheit ist ein in kultureller und historischer Hinsicht vielschichtiger Begriff. Je nach wissenschaftlicher Disziplin wird er unterschiedlich verstanden, und auch der subjektive Gesundheitsbegriff jedes Einzelnen variiert stark, z. B. abhängig von Alter, Geschlecht, Bildung und kulturellem Hintergrund. Einem naturwissenschaftlich verstandenen engen Begriff von Gesundheit nach dem bio-medizinischen Modell steht ein ganzheitlicher Begriff von Gesundheit gegenüber. Gesundheit kann sich auf den einzelnen Menschen beziehen, und als Zustand des körperlichen wie geistigen Wohlbefindens, oder der physischen und psychischen Funktions- und Leistungsfähigkeit begriffen werden. Gesundheit (lateinisch sanitas) kann auch als Gegenbegriff zu Krankheit (früher auch Ungesundheit, lateinisch insanitas, genannt)[3] gefasst werden und beschreibt dann den wünschenswerten „Normal“-Zustand (als normatives Konzept[4]) als Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit kann auch auf ein Kollektiv, z. B. die Bevölkerung, bezogen werden, und beschreibt dann das Ausmaß einer geringen Krankheitslast in einer Population.
Es gibt eine Vielzahl von Gesundheitsdefinitionen, die sich hinsichtlich ihrer grundlegenden Annahmen unterscheiden lassen.[5] Die nachfolgende Aufzählung stellt einige davon vor:
- Definition der Weltgesundheitsorganisation:
- „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“[6] („Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.“)
- Dem Philosophen Friedrich Nietzsche wird folgende Definition zugeschrieben:
- „Gesundheit ist dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen.“
- Nach dem Soziologen Talcott Parsons
- ist Gesundheit eine funktionale Voraussetzung von Gesellschaft.[7] Eine andere häufig zitierte Definition von Parsons lautet „Gesundheit ist ein Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums, für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben für die es sozialisiert worden ist.“[8]
- Gesundheitswissenschaftliche Definition:
- In den Gesundheitswissenschaften wird häufig auf Antonovsky und dessen Konzept der Salutogenese Bezug genommen.[9] Gesundheit wird nicht als normaler, passiver Gleichgewichtszustand (Homöostase) und nicht nur als Abwesenheit von Krankheit, sondern als labiles, aktives und sich dynamisch regulierendes Geschehen (Heterostase) und als einer der extremen Pole auf dem Kontinuum von Krankheit und Gesundheit verstanden. Gesundheit besitzt eine körperliche, psychische, soziale und ökologische Dimension und kann deshalb nicht alleine durch naturwissenschaftliche und medizinische, sondern muss zusätzlich auch durch psychologische, soziologische, ökonomische und ökologische Analysen erforscht werden.[10] Von anderen Gesundheitswissenschaftlern wird Gesundheit in Anlehnung an die Definition der WHO verstanden als „Zustand des objektiven und subjektiven Befindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich in den physischen, psychischen und sozialen Bereichen ihrer Entwicklung im Einklang mit den eigenen Möglichkeiten und Zielvorstellungen und den jeweils gegebenen äußeren Lebensbedingungen befindet.“[11] Im Verständnis von Hurrelmann ist Gesundheit ein angenehmes und durchaus nicht selbstverständliches Gleichgewichtsstadium von Risiko- und Schutzfaktoren, das zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt immer erneut in Frage gestellt ist. Gelingt das Gleichgewicht, dann kann dem Leben Sinn und Freude abgewonnen werden, es ist eine produktive Entfaltung der eigenen Kompetenzen und Leistungspotentiale möglich, und es steigt die Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu integrieren und zu engagieren.[12][13] Hurrelmann definiert Gesundheit für das Englische an anderer Stelle als: „Health is composed of physical, psychological, and social aspects which influence each other reciprocally. Health is closely connected to individual and collective value systems and behaviour patterns which are manifest in personal life styles. It is a state of equilibrium which must be continuously maintained during the life course.“[14]
- Pflegewissenschaftliche Definition:
- Monika Krohwinkel identifiziert Wohlbefinden und Unabhängigkeit als subjektiv empfundene Teile der Gesundheit. „Krankheit und Gesundheit sind ‚dynamische Prozesse‘, die für die Pflege als Fähigkeiten und Defizite erkennbar sind.“[15]
- Reinhard Lay hat als Teil des Modells der Gesundheitspflege eine neuere pflegewissenschaftliche Definition von Gesundheit vorgelegt: „Gesundheit bedeutet eine zufriedenstellende Entfaltung von Selbstständigkeit und Wohlbefinden in den Aktivitäten des Lebens.“[16] Lay versteht Pflege als Gesundheitsförderung.[17]
- beschäftigt sich mit subjektiven Gesundheitsdefinitionen von Kindern und Jugendlichen. Deren Begriff von Gesundheit ist abstrakt[18] und wird in negativer Abgrenzung von Krankheit verstanden. Psychische Dimensionen („keine Sorgen haben“) sind jedoch bereits im Jugendalter wichtige Bestandteile des Begriffes von Gesundheit.
- Historische Definition von der Antike bis ins 19. Jahrhundert:
- Im Konzept der Humoralpathologie ist Gesundheit Eukrasie (ein Gleichgewicht wohltemperierter Körpersäfte und Temperamente).[19][20]
Soziale Ungleichheit und Gesundheit
Sozialepidemiologische Untersuchungen belegen, dass Menschen aus sozioökonomisch besser gestellten Schichten in Deutschland gesünder sind und eine längere Lebenserwartung haben als Menschen, die über geringere Bildung, Einkommen und Berufsstatus verfügen.[21][22] Es zeigen sich schichtspezifische Unterschiede beim Gesundheits- und Krankheitsverhalten, z. B. Ernährung oder Rauchen, was zu einer gesundheitlichen Ungleichheit, zu Unterschieden in der Mortalität und Morbidität führt. Die Gründe dafür liegen nach Mielck[23] in
- Unterschieden in den gesundheitlichen Belastungen, z. B. Belastungen am Arbeitsplatz,
- Unterschieden in den Bewältigungsressourcen, z. B. soziale Unterstützung, und
- Unterschieden in der gesundheitlichen Versorgung, z. B. Arzt-Patient-Kommunikation.
Die Frage nach einem gesunden Leben ist aus der Perspektive der Ungleichheitsforschung nicht nur eine gesundheits-, sondern stets auch eine sozialpolitische und in Bezug zur Gesundheit die „ein hohes Gut, aber keine Ware“ darstellt, auch ethische Frage.
Siehe auch
Literatur
- Aaron Antonovsky: Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. DGVT-Verlag, Tübingen 1997.
- Peter Becker: Psychologie der seelischen Gesundheit. Hogrefe, Göttingen 1982.
- Jürgen Bengel, Regine Strittmatter, Hildegard Willmann: Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese – Diskussionsstand und Stellenwert; eine Expertise. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Köln 2001.
- Ilona Biendarra, Marc Weeren (Hrsg.): Gesundheit – Gesundheiten? Eine Orientierungshilfe. Würzburg 2009.
- Gro Harlem Brundtland (Hrsg.): Grundrecht Gesundheit. Vision: Mehr Lebensqualität für alle. Campus, Frankfurt 2000.
- Verena Corazza, Renate Daimler, Andrea Ernst, Krista Federspiel, Vera Herbst, Kurt Langbein, Hans-Peter Martin, Hans Weiss: Kursbuch Gesundheit. Symptome und Beschwerden. Gesundheit und Wohlbefinden. Rhythmen des Lebens. Krankheiten. Untersuchung und Behandlung. Aktualisierte Neuauflage. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011, ISBN 978-3-462-03593-3.
- Josef W. Egger: Gesundheit - Aspekte eines komplexen biopsychosozialen Konstrukts und seine Korrelation zu Optimismus und Glückserleben. In: Psychologische Medizin 21. Jahrgang 2010, Nummer 1, S. 38–48 (PDF; 452 kB).
- Martin Hafen: Mythologie der Gesundheit – zur Integration von Salutogenese und Pathogenese. Carl Auer-Systeme-Verlag, Heidelberg 2007.
- Klaus Hurrelmann: Gesundheitswissenschaften. Springer, Heidelberg 1999.
- Klaus Hurrelmann, Matthias Richter: Gesundheits- und Medizinsoziologie. 8. Auflage. Beltz Juventa, Weinheim 2013.
- Klaus Hurrelmann, Oliver Razum (Hrsg.): Handbuch Gesundheitswissenschaften. 6. Auflage. Beltz Juventa, Weinheim 2016.
- Rainer Lutz, Norbert Mark (Hrsg.): Wie gesund sind Kranke? Zur seelischen Gesundheit psychisch Kranker. Hogrefe, Göttingen 1995.
- Piet van Spijk: Definitionen und Beschreibung der Gesundheit – ein medizinhistorischer Überblick. Gesellschaft für Gesundheitspolitik SGGP, Zürich 1991.
- Eberhard J. Wormer und Johann A. Bauer: Neues Großes Lexikon Medizin & Gesundheit, Medizin von A bis Z, Symptome von A bis Z, Labor und Diagnose, Naturheilverfahren, Anti-Aging, Heilpflanzen, Erste Hilfe, Directmedia Publishing GmbH, Berlin 2006, Digitale Bibliothek (Produkt), Band DBS 27, CD-ROM, ISBN 978-3-89853-035-4.
Weblinks
- Bundesministerium für Gesundheit: Aufstellung der wichtigsten Internetseiten zur gesundheitlichen Information
- gesund.bund.de, zentrales Internetportal zu Gesundheitsfragen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
- Statistisches Bundesamt (Destatis) Themenbereich Gesundheit und Aufsätze aus der Zeitschrift „Wirtschaft und Statistik“. Abgerufen am 16. November 2017
- ICF-Klassifikation, Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)
- Patienteninformation, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
- EU-Gesundheitsportal
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Leitbegriffe der Gesundheitsförderung – Online-Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden
- gesundheit.gv.at – Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs, Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK)
Belege
- Andreas Mielck: Soziale Ungleichheit und Gesundheit. Einführung in die aktuelle Diskussion. Bern 2005, ISBN 3-456-84235-X, S. 58.
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