Sonntag, 22. März 2015

Vitamin B 12

§  Dr. med. M. O. Bruker
 

§  Die etablierte medizinische Wissenschaft
vertritt immer noch das Dogma, daß der
Mensch ohne tierisches Eiweiß nicht existieren
könne. Die scheinbar zugkräftigsten
Argumente gegen die vegetarische
Ernährung stützen sich auf rein chemischanalytische
Untersuchunqsmethoden,
wogegen geographische Beobachtungen
an riesigen Bevölkerungsgruppen über
Jahrtausende nicht zur Beurteilung herangezogen
werden. Gründliche Durchsicht der wissenschaftlichen Literatur über ein
halbes Jahrhundert liefert keine wissenschaftlich
haltbare Begründung für die
These, daß ein Drittel der Eiweißzufuhr aus
tierischen Nahrungsmitteln stammen
müsse. Trotzdem wird unentwegt an den
Universitäten, in Lehr- und Schulbüchern,
in der Tagespresse und bei jeder sonstigen
Gelegenheit die Fleischthese als ein
Lehrsatz vorgebracht, an dem überhaupt
kein Zweifel möglich sei. Es ist nicht nur
aus Gründen der wissenschaftlichen Sauberkeit
und Wahrheit notwendig, mit allen
zur Verfügung stehenden Mitteln gegen
diese These des Tieressenmüssens vorzugehen,
sondern genauso dringend im Hinblick
auf die Welternährungslage. Könnten
doch auf dieser Erdefünfmal mehr Menschen
ernährt werden, wenn nicht der verschwenderische
und unnötige Umweg
über das Tier gegangen würde. Dabei
steigt der Verzehr von tierischem Eiweiß in
den "reichen" Ländern immer noch unablässig.
Diese nüchternen Fakten, daß seit
Bestehen der Welt Milliarden Menschen
ohne tierisches Eiweiß gelebt haben und
dabei gesund waren, stehen also in krassem
Gegensatz zu dem Dogma der Lehrmedizin,
daß es ohne tierisches Eiweiß
nicht ginge. Solche Widersprüche sind in
der Wissenschaft nicht selten. Claude
Bernard sagt dazu: "Wenn die Tatsache,
mit der wir es zu tun haben, im Gegensatz
zu einer herrschenden Theorie steht, muß
man die Tatsache akzeptieren und die
Theorie abtun."
Dies trifft genau auf das vegetarische
Problem zu und ganz besonders auf die
These, der Mensch benötige deshalb tierische
Nahrung, weil sonst die Gefahr ungenügender
Versorgung mit Vitamin B 12
bestünde; denn dieses lebensnotwendige
Vitamin käme nur in tierischen Nahrungsmitteln
vor, also sei deren Verzehr unerläßlieh.



Gesunde Veganvölker
ohne B 12-Zufuhr
Dafür, daß auch an dieser These etwas
nicht stimmen kann, spricht, ähnlich wie
bei der Frage des Eiweißbedarfs, die Tatsache,
daß Milliarden Menschen aus der
Vergangenheit und Millionen in der Gegenwart
ohne Tierprodukte leben. Da Vitamin
B 12 nicht nur im Fleisch, sondern auch in
den Tierprodukten Milch und Ei vorkommt,
können alle Völker, die jegliche Terprodukte
meiden, ebenso als Beweis angeführt
werden, daß eine Ernährung ohne B 12-
haltige Tierprodukte nicht zu Gesundheitsschäden
führt, wie dies für die Deckung
des Eiweißbedarfs gilt. Auch für diese
Bevölkerungsgruppen, die regelmäßig
keine tierischen Nahrungsmittel verwenden
und die Milch nicht kannten und trotzdem
genug Vitamin B 12 zur Verfügung
haben mußten, können ausgedehnte
geographische Zonen angeführt werden. Solche
Völker finden sich in lndonesien, Afrika,
Asien und Ozeanien. Riesige Bevölkerungen
lebten jahrtausendelang ohne
Milch und fast ohne Fleisch und Ei, dies
eben nur bei seltenen Ausnahmen. Da
diese Bevölkerungen sehr fruchtbar waren
(und sind) und die Fruchtbarkeit des Spermas
stark von genügender Versorgung mit
Vitamin B 12 abhängt, müssen sie genug
von diesem Vitamin bekommen haben,
auch ohne tierische Nahrung. Die Binnenlandpapua
von Neuseeland zum Beispiel
sind bei praktisch reiner Pflanzenkost körperlich
gut entwickelt und zur Leistung
von Schwerarbeit fähig, ohne daß irgendweiche
B 12-Mangelschäden gefunden
wurden - und dies bei nur 30 g rein pflanzlichem
Eiweiß pro Tag. Dies geht aus
Untersuchungen von Oomen, Voeding et
aI, der Sektion für menschliche Anpassungsformen
des internationalen biologischen
Programms hervor. Darüber ist referiert
in "Wendepunkt" Nr. 8/1968, S. 348.
Dasselbe ist berichtet von den Einwohnern
von Okinawa, den Nordchinesen und
den jemenitischen Juden.
Nun liegen aber zudem aus neuerer Zeit
wissenschaftliche Untersuchungen von
Prof. Per-Arne Öckermann vor, die an
einer Gruppe von Personen durchgeführt
wurden, die sich drei bis dreißig Jahre lang
von reiner Vegankost, also ohne Fleisch
und jegliche Tierprodukte, ernährt haben.
Prof. Öckermann hat das Untersuchungsergebnis
auf einer Ärzteversammlung in
Stockholm Ende 1979 vorgelegt. In der
schwedischen "Tidskrift för Hälsa", Heft
2/79 ist darüber berichtet.
Die Menge an Vitamin B 12 lag in der
Vegankost außerordentlich niedrig. Nur in
milchsauren Gemüsen und Getreidebrei
konnte eine geringe Menge B 12 nachgewiesen
werden. Ein Vergleich mit einer
Kontrollgruppe von Rentnern ergab, daß
diese zehnmal so viel Vitamin B 12 zu sich
nahmen. Das Überraschende war jedoch,
daß im Blut der Vegans ausreichend Vitamin
B 12 vorhanden war. Als Nebenbefund
fand sich, daß die Veganer zwei- bis
dreimal mehr Kalium, Magnesium, Zink zu
sich nahmen als die Kontrollgruppe.
Zusammenfassend urteilte Prof. Öckermann,
daß die Veganernährung eine realistische
Alternative im Kostsystem darstellt.
Mit der Feststellung, daß in Wirklichkeit
Leben und Gesundheit ohne Vitamin B 12-
haltige Tierprodukte möglich ist, könnte
man das Thema "Vitamin B 12" eigentlich
ad acta legen. Es ist aber interessant und
erscheint auch notwendig, im einzelnen
aufzuzeigen, wie sich die Widersprüche
zwischen den analytischen Forschungsergebnissen
und den Beobachtungen in der
Wirklichkeit erklären lassen. Dabei sollen
folgende Ausführungen helfen.

Vorkommen von Vitamin B 12

Vitamin B 12 ist lebensnotwendig. Chemisch
ist es Cobalamin. Das Molekül ist
ein Coenzym und enthält das Spurenelement
Kobalt. Es gibt mehrere B 12-Formen,
deren Wirkungsweise verschieden
ist, das Cyanocobalamin, das Hydroxocobalamin
und das Methylcobalamin. Im Blut
findet es sich als Methylcobalamin. Die in
der Therapie verwendeten Formen entsprechen
nicht der im Körper vorkommenden
Coenzymform. Der Entdecker von
Vitamin B 12 ist Lester Smith. Die Reindarstellung
gelang erstmalig 1948. Das
Vitamin ist sehr stabil, sodaß es durch
Hitze, Licht, Alkali oder Bestrahlung kaum
etwas von seinen Eigenschaften verliert.
Schon die verschiedenen Formen von
B 12 und ihre unterschiedliche Wirkung
weisen darauf hin, daß das Vitamin B 12-
Problem komplizierter ist als allgemein
dargestellt. Zur weiteren Kompliziertheit
trägt die interessante Tatsache bei, daß
B12-Mangel genau dieselben Schäden
hervorruft wie die Vergiftung durch ein
Cyanid. Zur Entgiftung des Cyan ids benötigt
der Körper genug schwefelhaltige
!; Aminosäuren im Eiweißmolekül, nämlich
Methionin und Cystin. Diese Aminosäuren
finden sich in pflanzlicher Kost eher als in
tierischer. Es kommt darauf an, die Pflanzenkost
richtig zu kombinieren. Es gibt
auch cyanidhaltige pflanzliche Nahrungsmittel,
die nachteilig wirken können. Zu
wenig B 12 und zuviel Cyanid können
dann zusammentreffen. Die Lage kann
aber auch durch Rauchen verschärft werden.
B 12-Mangelschäden entstehen nur
durch Mangel an brauchbarem B 12, und
die Wirkung des Cyan ids entsteht, wie
man jetzt weiß, dadurch, daß es das verfügbare
B 12 unverwendbar macht. Aber
auch dazu kommt es meistens erst dann,
wenn zu wenig Coenzym zur Verfügung
steht. Überdies ist ausreichende Folsäure
wichtig, weil ein Mangel daran die B 12-
Wirksamkeit ebenfalls herabsetzt. Unerhitzte
Grünblattpflanzen sind die besten
Großlieferanten von Folsäure. (Dr. Frank
Wakes).
Lange Zeit wurde angenommen, daß
B 12 nur in Nahrungsmitteln tierischer
Herkunft vorkomme. nicht in Obst und
Gemüse. Diese Aussage erweckt den Eindruck,
als ob Vitamin B 12 tierischer Herkunft
sei. Dies trifft aber nicht zu; denn
Vitamin B 12 wird ausschließlich von Bakterien
und anderen pflanzlichen Mikroorganismen
und Schimmelpilzen gebildet,
ist also vom Ursprung her durchaus keine
Gabe des Tierreichs. Auch die als Medikament
verwendete Form stammt aus natürlicher
Synthese, nämlich aus Gärungsprozessen,
bei denen die Mikroorganismen
(Propionsäurebakterien) mit rein pflanzlichen
und mineralischen Stoffen gefüttert
werden. Das Tier ist also bestenfalls ein
Zwischenträger des Vitamins.
Die Beobachtung, daß bei geringer
B 12-Zufuhr in der Nahrung sich im Blut
Vitamin B 12 in mehr als ausreichender
Menge findet, hat von jeher vermuten lassen,
daß B 12 im Darm von Mikroben
gebildet wird. Diese Vermutung hat heute
der Sicherheit Platz gemacht. Als erster
wies Dr. Wolfgang Tilling nach. daß B 12
im Darm produziert und auch genügend
resorbiert werden kann. In einer Studie
des Frances Stern Nutritional Center an
der Tuffs Medical School in Boston wird
gezeigt. daß Kinder. die noch nie in ihrem
Leben Tierkost bekommen haben. reichlich
mit Vitamin B 12 versorgt waren.
William Shurleff, Direktor des New Age
Food Center in Lafayette/USA. weist auf
die Möglichkeit der innerleiblichen Produktion
von B 12 im Menschen hin. Daß
dies im Darm durch Mikroorganismen
stattfindet. steht heute außer Zweifel.
Wenn auch der hohe B 12-Gehalt im
Blut bei Vegans bei dem niedrigen Gehalt
an B 12 in pflanzlichen Lebensmitteln
dafür spricht. daß eine Quelle der B 12-
Produktion im Körper selbst - also mit
Sicherheit Mikroorganismen im Darm -
stattfindet. so darf andererseits der Gehalt
an B12 in pflanzlichen Lebensmitteln nicht
unterschätzt werden.
Nach dem Vitalstofftabellarium von
Prof. Schweigart findet sich in Weizen und
Roggen je 0,1, in Hafer 0,3 y/100 g; zum
Vergleich in Vollmilch 0.7 y/100 g
(y = 1 gamma = 1 Millionstel Gramm).
Shurleff nennt noch andere Lebensmittel.
in denen B 12, wenn auch in geringen
Mengen, nachgewiesen ist und die eine
regelmäßige Zufuhr von B 12 garantieren.
Er unterscheidet drei Gruppen:
1. durch Fermentation mit Hilfe von Bakterien
und Schimmelpilzen gewonnene
Sojaprodukte wie Miso, Tempeh und
Natto
2. Einzeller-Proteine, vor allem Mikroalgen
(Spirulina, Chlorella und Scenedesmus)
und Hefen
3. Nahrungspflanien des Meeres.
Bei Hefen ist wesentlich. ob sie auf entsprechenden
Nährböden gewachsen sind.
Grundsätzlich wichtig ist aber. daß sie
imstande sind, B 12 zu produzieren. Manche
dieser Lebensmittel enthalten soviel
Vitamin B 12 5
B 12, daß schon kleine Mengen ausreichen,
um den Tagesbedarf eines Erwachsenen
zu decken; so enthalten z. B. 6,5 g
Spirulina das 51/2-fache der von National
Research Council der National Academy
of Science festgelegten Bedarfsmenge. Es
gibt also pflanzliche Lebensmittel, die reiche
Quellen von B 12 sind.
In der Literatur finden sich noch Angaben
über andere Nahrungsmittel, in denen
B 12 nachgewiesen wurde. Es werden
genannt: Petersilie, Pfirsiche. Schwarzwurzeln.
Getreidekeime. Zitronenmelisse,
Beinwell (Symphytum) = Comfrey, Erdnüsse
und Sauerkraut. Die vergorenen Sojaprodukte
sind schon erwähnt. Bei Sauerkraut.
bei dem eine bakterielle Gärung
stattfindet, läßt sich der B 12-Gehalt leicht
erklären, ebenfalls in Getränken, die durch
besondere Gärungsprozesse auf Getreidebasis
hergestellt werden.
Für den Gehalt an B 12 in Pflanzen spielen
auch Bodeneigenschaften, d. h.
Humusreichtum und Kobaltgehalt eine
Rolle. In Böden mit langer Kunstdüngerbewirtschaftung
ist sowohl der Humus wie
der Kobaltgehalt geringer. Dies kommt
z.B, am wechselnden Gehalt von B12 in
der Kuhmilch zum Ausdruck.
Es selnochmals betont: B 12 herstellen
können nur Bakterien, Schimmelpilze,
Algen und Hefen und zwar im Übermaß.
Alles höhere Leben bezieht seinen
Bedarf von ihnen.
']
j
Bedarf an Vitamin B 12
Auch über den täglichen Bedarf an B 12
besteht in wissenschaftlichen Kreisen
noch keine Einigkeit. Man schätzte früher
die nötige Menge auf 3 y.
Nach Shurleff ist eine Anzahl namhafter
Ernährungsforscher der Überzeugung,
daß der tägliche Bedarf wesentlich niedriger
liegt als offiziell angenommen (nach
UNO 2 y). Shurleff erwähnt Untersuchungen
von Victor Herbert, wonach statt 3 y
schon 0,1 Y täglich für einen normalen
Menschen ausreichend sind. Zum gleichen
Resultat gelangten Ärzte bei Untersuchungen
von Siebenten- Tags-Adventisten
an der Lorna-Llnda-Universität. Zen-
Mönche beschränkten sich jahrhundertelang
streng auf Pflanzenkost. dabei galten
sie als die gesündesten und langlebigsten
Glieder der Gesellschaft. Was sie sich an
B 12 zuführten. kamim Regelfall aus vergorenen
Sojaprodukten und aus Meerespflanzen.
Ralph Bircher berichtet lrn "Geheimarchiv
der Ernährungslehre" (S. 46ff.) über
die Untersuchungen, von Bergersen und
Hipsley, die 1979 im Darm der Batatenesser
im Hochland von Neuguinea Bakterien
nachgewiesen haben, die aus dem im
Darm vorgefundenen Luftstickstoff hochwertige
Aminosäuren synthetisierten. Die
Bataten, von denen sich diese Menschen
fast ausschließlich 1(80-90%) ernähren,
sind eine Art Süßkartoffel. Wichtig ist in
diesem Zusammenhang, daß diese von
den Bakterien im Dickdarm erzeugten
Aminosäuren vom Dickdarm resorbiert
werden, also in Blut und Lymphe übergehen.
Auf diese Weise decken die Batatenesser
ihren Eiweißtledarf. Damit haben
sich die Zweifel, ob Bakterienprodukte
vom Dickdarm in den Organismus gelangen,
als unbegründet erwiesen. Bemerkenswert
ist in diesem Zusammenhang
die Parallele zu B 12, das ebenfalls in
erheblichen Mengen von Bakterien im
Dickdarm erzeugt wird. So erklärt es sich,
daß bei diesen Vegans keinerlei Erscheinungen
von B 12-Mangel gefunden wurden,
obwohl diese ;Menschen hart und
hurtig arbeiten. Dies ist deshalb so bedeutungsvoll,
da immer wieder die Aufnahmefähigkeit
von B 12: aus dem Dickdarm
bezweifelt wurde, während die Resorption
des mit der Nahrung aufgenommenen
B 12 im Dünndarm bekannt ist. Hierzu ist
allerdings der Begleit~toff des intrinsic faktors
notwendig.

Der Bedarf an B 12 ist bei Ernährung
mit reiner Pflanzenkost wesentlich geringer
als beim Verzehr von Tierprodukten.
Man nimmt an, daß dies darauf beruht,
daß die Vegans durch den reichlichen
Genuß von Frisch-Grünkost viel mehr Folsäure
zu sich nehmen, die beim Blutaufbau
das Vitamin B12 teilweise ersetzen
kann. Da die Folsäure thermolabil ist, kann
Kochen die Hälfte der Folsäure vernichten.
Die Erzeugung von Vitamin B 12 setzt
eine gesunde Darmflora voraus. Die
enzymreiche Rohkost hat auf die Darmflora
einen ausgesprochen regenerierenden
Einfluß, während Fleischkost ungünstig
wirkt. Ralph Blrcherweist darauf hin,
daß Fleischesser trotz aller B 12-Zufuhr an
B 12-Mangel leiden, da ihr Organismus
nicht auf wirksame Eigenproduktion
umschalten kann. Dem oft gerühmten Vorteil,
daß gemischte Kost eine so schöne
Zufuhr von B 12 garantiert, steht der
Nachteil gegenüber, daß sie die bakterielle
Grundlage seiner Produktion im Körper
selbst gefährdet.
Nach I. J. Hutchins scheint sich die
Tüchtigkeit der Darmflora in der Vitaminerzeugung
umgekehrt proportional zur Vitaminzufuhr
zu verhalten. Wenn ein Vitamin
in der Nahrung fehlt, wird es im Darm erzeugt,
und umgekehrt werden Vitamine
weniger erzeugt, wenn die Nahrung genug
davon zuführt. Die Anpassung benötigt
allerdings eine gewisse Zeit. Nach meinen
klinischen Erfahrungen ist die Darmflora
die Resultante der Kostform, die in den
letzten drei Monaten verzehrt wurde. Vitamin
B 12-Mangel ist also kein vegetarisches
Problem, sondern erweist sich
angesichts der Tatsache, daß B 12 ausschließlich
von Mikroben produziert
wird, in erster Linie als ein Problem der
Darmflora. Bei den Wiederkäuern unter
den Pflanzenfressern (Rind, Schaf, Ziege
usw.) wird das B 12 durch die Bakterienflora
des Pansen erzeugt und geht in den
Organismus und die Milch über. Bei nicht
wiederkäuenden Pflanzenfressern (Kaninchen,
Elefant) geschieht die Aufnahme des
von den Darmbakterien erzeugten B 12
teilweise durch Koprophagie (Kotfressen).
Andere monogastrische Tierarten (mit
einem Magen) resorbieren das B 12 in
größerem Umfang aus dem Dickdarm. Es
ist unverständlich, weshalb beim Menschen
die Aufnahme von B 12 aus dem
Dickdarm angezweifelt wurde. Es gibt
aber keine andere Erklärung für die volle
Gesundheit von Vegans und deren hohem
B 12-Gehalt im Blut trotz des geringen
B 12-Gehalts in der Nahrung.
Vitamin B 12-
Mangelerscheinungen
Am bekanntesten ist, daß Vitamin B 12 zur
Blutbildung notwendig ist. Eine bestimmte
Form der Blutarmut (hyperchrome Anämie)
ist daher eine der Folgen von B 12-
Mangel. Für die Entstehung der perniziösen
Anämie infolge Vitamin B 12-Mangel
sind aber noch andere Faktoren von
Bedeutung: Für die Verwertung des mit
der Nahrung zugeführten Vitamins B 12 ist
eine Art .Beqleltschutz" bis zur ResorptionssteIle
im Dünndarm in Form des intrinsic
faktors nötig, an den es im Magen
gekoppelt wird. Der intrinsic faktor ist ein
Glykoprotein, das bei der Eiweißverdauung
im Magen entsteht. Bei fehlender
Magensäure oder bei fehlendem Magen
infolge Operation fällt die Eiweißverdauung
und damit die Bildung des intrinsic
faktors und der Begleitstoff für B 12 aus.
Aber selbst bei intaktem Magen kann der
intrinsic faktor durch Antikörper blockiert
werden.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen
ist vielleicht der Hinweis nötig, daß in der
heutigen Zivilisation Anämien sehr zahlreich
sind, die mit Vitamin B12-Mangel
nichts zu tun haben. Interessant ist auch,
daß solche Anämien bei Fleischessern
häufiger sind als bei Vegetariern und daß
sie bei Fleischessern sich rasch durch
zusätzlichen Verzehr von Frischkost behe-
Vitamin B 12 haben lassen. 


Einzelne Fälle von Anämien bei Vegans werden verständlicherweise in der Literatur hochgespielt, sind aber im Vergleich zu der Zahl von Anämien bei der üblichen Zivilisationskost, die oft sehr einseitig ist, eine Ausnahme.
 

Andere mögliche Folgen von Vitamin B 12-Mangel sind degenerative Erkrankungen
des Nervensystems, z. B. die funikuläre Myelose. Aber auch im psychischen
Bereich kann B 12-Mangel zu Störungen wie Depressionen und neurasthenischen
Zuständen führen.
Da Vitamin B 12 bei vielen intermediären Prozessen im Eiweiß-, Fett- und
KOhlenhydratstoffwechsel der einzelnen Zellen beteiligt ist, kann es im weitesten
Sinne als stoffwechselnotwendig und für die körperliche und geistige Gesundheit
als unerläßlich bezeichnet werden. Infolge seiner universellen Funktionen wird es in
der Medizin heute auch sehr vielseitig verwendet, aber nicht bei Vegetariern und
Vegans, sondern eben bei den zahlreichen ernährungsbedingten Zivilisationskrankheiten.
Die therapeutisch verwendeten Präparate stehen aus mikrobieller Synthese
billig zur Verfügung.
In den einzelnen Organen kommt B 12 in unterschiedlichen Konzentrationen vor, am
stärksten in der Leber und den blutbildenden Organen des Knochenmarks. In der
Leber ist eine Speicherung bis zu 5000 y möglich, so daß vorübergehend verringerte
B 12-Zufuhr über lange Zeit ausgeglichen werden kann. Gefahr der Unterversorgung
besteht bei einem Blutspiegel unter 100y/ml. Ein Spiegel von 300-400 y/ml im Blut
ist die Norm. Bei ausreichender Eiweißzufuhr sinkt der Bedarf an B 12 um so mehr,
je höher die Folsäurezufuhr ist.
Einige Zusammenbrüche von Vegans nach dem zweiten Weltkrieg, auf die in der Literatur immer wieder Bezug genommen wird, auf B 12-Mangel zurückzuführen, erscheint angesichts der Tatsache, daß Milliarden Menschen seit Jahrtausenden bei einer solchen Kostform gesund und leistungsfähig blieben, nicht berechtigt.
Stellt man diesen Einzelfällen die große Zahl von "Zusammenbrüchen" bei Gemischtessern
gegenüber, deren Ursache nicht geklärt ist, so verlieren jene Fälle an
Relevanz.
Zusammenfassend ist aus den zahlreichen angeführten Fakten der Schluß zu
ziehen, daß vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ungenügende B 12-Versorgung
kein stichhaltiges Argument gegen vegetarische Ernährung ist, auch in
der strengen Form der Vegans ohne Milchprodukte und Ei. Gesunde und leistungsfähige
Menschen, die sich so ernähren, sind ein unumstößlicher Beweis.
Wenn bei chemisch-analytischer Betrachtung noch Lücken in der Erklärung der
nicht zu widerlegenden Realität bestehen, so soll dies zwar zu weiterer wissenschaftlicher
Forschung anregen; ungenügende Forschung berechtigt aber nicht, sie als
Beweis gegen die Realität zu verwenden.
Literaturnachweis:
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